Eines unserer Urteile
Abschrift
(Die Namen aller Beteiligten wurden aus dem Urteil entfernt und durch X ersetzt)
7 0 51/19 LG Itzehoe
Verkündet am 12.11.2020
gez.
Plaga, JOS’in
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Rechtsstreit
Sparkasse – Klägerin und Berufungsklägerin –
Prozessbevollmächtigte:
X
gegen
X
– Beklagte und Berufungsbeklagte –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwältin Karin Dietrich-Olsen, Viktoriastraße 12, 25524 Itzehoe, Gz.: 48/19D001Wi
hat der 5. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht X, den Richter am Oberlandesgericht X und den Richter am Oberlandesgericht X auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2020 für Recht erkannt:
1) Die Berufung der Klägerin gegen das am 27. Mai 2020 verkündete Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe wird zurückgewiesen.
2) Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3) Das Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Bereicherungsanspruch geltend. Die Beklagte ist zusammen mit vier weiteren Personen Miterbin der am 19. Juni 2013 verstorbenen Frau X. Die Erblasserin unterhielt bei der Klägerin unter anderem ein Sparkonto mit der Nummer 3025185657 sowie ein Girokonto mit der Nummer 617068. Das Sparkonto mit der Nummer 3025185657 hat die Klägerin für die Erblasserin im Oktober 2008 eröffnet und dort mit Wertstellung zum 17. Oktober 2008 einen Betrag von € 50.000,00 als Einlage gebucht.
Es liegt ferner vor ein Formular „Abtretung von Guthabenforderungen gegen eine andere Bank (weite Zweckerklärung)“ der Volksbank das die Erblasserin als Sicherungsgeberin ausweist und unter dem 10. November 2008 Unterschriften für die Bank und eine Unterschrift trägt (Anlagenhefter, Anlagenkonvolut K4). Nach dem dortigen Sicherungsvertrag (Ziffer 1) dient die Abtretung „zur Sicherung aller bestehenden, künftigen und bedingten Forderungen der Bank oder eines die Geschäftsverbindung fortsetzenden Rechtsnachfolgers der Bank“ gegen Herrn X aus der laufenden Geschäftsverbindung, insbesondere
– aus laufender Rechnung und aus der Gewährung von Krediten jeder Art, Wechseln, Schecks, Lieferungen oder Leistungen,
– aus Bürgschaften sowie sonstigen Verpflichtungserklärungen des Schuldners für Dritte, jeweils ab deren Fälligkeit, sowie aus im Rahmen der üblichen Bankgeschäfte von Dritten erworbenen Forderungen, Wechseln, Schecks.
Die Sicherheit haftet auch dann im vorgenannten Umfang, wenn sie anlässlich einer bestimmten Krediteinräumung bestellt wird…“
Ferner trat die Sicherungsgeberin hiernach der Bank die Forderung aus dem Sparkonto gegen die Klägerin in Höhe eines erstrangigen Teilbetrages von € 50.000,00 ab. Die Klägerin erklärte mit „Drittschuldnerbestätigung“ vom 13. November 2008 (Seite 4 des Anlagenkonvoluts K4 im „Anlagenband Aktivseite“) gegenüber der Volksbank X, von der Abtretung der vorgenannten Forderung Kenntnis genommen zu haben.
Mit der Nachlassabwicklung bevollmächtigten die Miterben Frau X (Nachlassvollmachten Anlagenhefter, Anlagenkonvolut K 1), die Schwester der Erblasserin, die nicht Mitglied der Erbengemeinschaft war. Von einer Abtretung der Forderung auf das Sparguthaben durch die Erblasserin hatten weder die Beklagte noch die übrigen Miterben oder deren Bevollmächtigte X Kenntnis.
Unter dem 3. Dezember 2014 (Anlagenhefter, Anlage K2) erstattete X bei der Klägerin eine Verlustmeldung zum Sparkassenbuch der Verstorbenen zur Konto Nr. 302518657, das sie in den Nachlasspapieren nicht habe finden können, erkannte das auf dem Konto bei der Klägerin ausgewiesene Guthaben von € 50.169,85 an und bat darum, das Guthaben auf das Konto Nr. 617068 zu übertragen. Sie erklärte in der Verlustmeldung, dass sie das Sparbuch in den Nachlasspapieren nicht habe finden können und das „Sparkassenbuch bzw. Sparguthaben weder veräußert, verpfändet, abgetreten noch übereignet“ sei.
Unter dem 19. Dezember 2019 bestätigte X gegenüber der Klägerin die Kontoschließung für das Sparkonto Nr. 3025185657 (Anlagenhefter, Anlage K3), woraufhin die Klägerin am 19. Dezember 2014 das Sparkonto weisungsgemäß auflöste und den Guthabenbetrag von € 50.293,83 auf das als Nachlassverwaltungskonto dienende Girokonto der Erblasserin Nr. 617068 überwies.
Am 7. Mai 2015 wurde das Guthaben auf dem Girokonto auf Veranlassung von X mit einer Auszahlung von jeweils € 54.000,00 an alle fünf Miterben aufgeteilt. Das Girokonto wurde zum 30. Dezember 2015 aufgelöst.
Mit Schreiben vom 21. August 2018 (Anlagenhefter, Anlage K4) machte die Volksbank X eG unter Übersendung des Originalsparbuchs, Abtretungserklärung der Erblasserin vom 10. November 2008 und Drittschuldnerbestätigung der Klägerin vom 13. November 2008 und Hinweis auf den Eintritt des Sicherungsfalls gegenüber der Klägerin die Verwertung des ihr in Höhe von € 50.000,00 abgetretenen Sparguthabens zum Sparkonto 3025185657 geltend.
Die Klägerin überwies am 30. August 2018 einen Betrag von € 50.000,00 an die Volksbank X (Anlage K9, Blatt 156 d. A.). Mit Schreiben vom 27. November 2018 forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung von € 10.000,00 bis zum 14. Dezember 2018 auf. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten die Rückzahlung von € 10.000,00 mit am 20. Dezember 2018 bei dem Mahngericht beantragtem und der Beklagten am 28. Dezember 2018 zugegangenem Mahnbescheid geltend gemacht.
Zur Begründung ihres Anspruchs hat die Klägerin im Wesentlichen vorgetragen:
Die Erblasserin habe am 10. November 2008 ihr Sparguthaben des Sparkontos mit der Nummer 3025185657 in Höhe eines Betrages von € 50.000,00 mit der im Anlagenkonvolut K4 („Anlagenband Aktivseite“) vorgelegten Erklärung vom 10. November 2008 als Sicherheit an die Volksbank X zur Sicherung eines von dieser gegenüber ihrem Schuldner X gewährten Darlehens abgetreten. Die Unterschrift stamme von der Erblasserin. Der Sicherungsfall sei eingetreten, weshalb sie an die Volksbank X die ihr das Originalsparbuch vorgelegt habe, € 50.000,00 ausgezahlt habe.
Bei Schließung des Sparkontos und Auszahlung des Guthabens auf das Girokonto im Dezember 2014 sei von ihrem Mitarbeiter der Verpfändungsvermerk im Archiv übersehen worden; da keine Darlehensverbindlichkeiten der Erblasserin vorhanden gewesen seien, sei die Möglichkeit einer Drittsicherung nicht in Betracht gezogen worden.
Ihr stehe gegen die Beklagte ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung zu. Dieser Anspruch sei auch nicht verjährt, da der Anspruch erst mit Auszahlung eines Teils des Guthabens von € 54.000,00 auf dem Girokonto der Erblasserin an die Beklagte im Jahr 2015 entstanden sei. Jedenfalls aber habe die Klägerin im Jahr 2014 weder positive Kenntnis von der Abtretung des Sparguthabens gehabt, noch grob fahrlässig keine Kenntnis erlangt gehabt, da die Erbengemeinschaft durch X erklärt habe, dass die Forderung nicht abgetreten sei.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 10.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat im Wesentlichen vorgetragen:
Sie bestreite mit Nichtwissen, dass die Unterschrift auf der Abtretungserklärung vom 10. November 2008 (Anlagenkonvolut K4) von der Erblasserin stamme. Die Abtretungserklärung sei „unklar, hilfsweise zu weit“ und damit unwirksam. Die Zahlung vom Dezember 2014 sei von der Klägerin in Kenntnis der Nichtschuld vorgenommen worden, nachdem sich die Abtretung aus den ihr damals vorliegenden Unterlagen (insbesondere der Drittschuldnererklärung) ergeben habe. Der Beklagten stehe zudem bis zur Übergabe „der Papiere und der abgetretenen Rechte von der Volksbank gegenüber X an die Erbengemeinschaft“ ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber der Klägerin zu.
Sie rechne mit einem unbezifferten Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin auf und begründet den Anspruch damit, dass die Klägerin die Erben nicht über die Abtretung informiert habe. Anderenfalls wäre die Erbengemeinschaft an X herangetreten und hätte die Freigabe der Sicherheit erreicht. Nunmehr werde man mit der Forderung gegen X ausfallen.
Sie sei entreichert. Sie habe 32 Jahre in den USA gelebt und dort eine unzureichende Altersvorsorge aufgebaut. Sie arbeite als Vertretungslehrerin mit befristetem Vertrag. Das aus der Erbschaft erhaltene Geld habe sie weitestgehend fest als Altersvorsorge angelegt. Ihrem Erbe habe sie € 10.000,00 entnommen und hierfür in den Jahren 2016 bis 2018 vier Reisen in die USA über insgesamt 11 Wochen unternommen, die sie ohne das Erbe nicht angetreten hätte.
Sie berufe sich auf die Einrede der Verjährung. Der hier geltend gemachte Bereicherungsanspruch sei bereits im Jahr 2014 mit der Auszahlung vom Sparbuch auf das zur Nachlassverwaltung genutzte Girokonto entstanden. Die Klägerin habe aufgrund des dort vorhandenen Sperrvermerks positive Kenntnis von der Abtretung gehabt, jedenfalls aber grob fahrlässige Unkenntnis. Bei der Klägerin hätten alle erforderlichen Informationen vorgelegen; wenn diese auch angesichts der besonderen Umstände – der Verlustmeldung zum Sparbuch durch die Erbengemeinschaft nicht beachtet würden, läge ein grobes Organisationsverschulden bei der Klägerin vor.
Das Landgericht hat die Sache am 5. Februar 2020 (Protokoll Blatt 183 f. d. A.) verhandelt, am 5. Februar 2020 (Blatt 202 ff. d. A.) unter Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung Hinweise auf seine geänderte Rechtsauffassung erteilt und die Klage im schriftlichen Verfahren mit am 27. Mai 2020 verkündetem Urteil, auf das wegen der Einzelheiten der Begründung Bezug genommen wird, abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von € 10.000,00 aus Leistungskondiktion im Sinne des S 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift lägen zwar vor, der sich daraus ergebende Anspruch der Klägerin sei aber verjährt.
Die Überweisung des Guthabens in Höhe von € 50.293,83 von dem Sparkonto mit der Nummer 3025185657 auf das zur Nachlassverwaltung durch die Erbengemeinschaft genutzte Girokonto mit der Nummer 617068 vom 19. Dezember 2014 habe eine Leistung im Sinne des S 812 Abs. 1
S. 1 Alt. 1 BGB dargestellt. Die Klägerin habe damit den Darlehensrückzahlungsanspruch der an die Stelle der Erblasserin getretenen Erbengemeinschaft erfüllt. Diese Leistung sei auch auf Kosten der Klägerin erfolgt, da sie gegenüber der Volksbank X bei Eintritt des Sicherungsfalls weiterhin zur Zahlung von € 50.000,00 verpflichtet gewesen sei, und aufgrund der erfolgten Abtretung auch ohne Rechtsgrund geschehen.
Die Klägerin könne diesen Bereicherungsanspruch gegenüber der Erbengemeinschaft bzw. den zur gesamten Hand haftenden Miterben, wie der Beklagten, allerdings nicht mehr durchsetzen, da die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben habe und der Anspruch auch tatsächlich verjährt sei.
Ansprüche aus S 812 BGB unterlägen der Regelverjährung von drei Jahren aus S 195 BGB. Die Verjährungsfrist habe im Jahr 2014 begonnen und mit Ablauf des Jahres 2017 geendet, so dass der am 28. Dezember 2018 bei der Beklagten zugestellte Mahnbescheid die Verjährung nicht mehr habe hemmen können. Nach S 199 Abs. 1 BGB beginne die regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden sei und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt habe oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Der klägerische Anspruch sei mit der Erfüllung der vermeintlichen Rückzahlungsverpflichtung hinsichtlich des Sparguthabens gegenüber der Erbengemeinschaft am 19. Dezember 2014 entstanden.
Die Klägerin hätte auch bereits zum Zeitpunkt der Anspruchsentstehung im Dezember 2014
Kenntnis davon gehabt, dass der Erbengemeinschaft der Anspruch auf Auskehrung des Sparguthabens nicht zugestanden habe. Denn unstreitig sei bei der Klägerin ein sogenannter Sperrvermerk dokumentiert gewesen, aus dem sich die Verpfändung des Sparguthabens der Erblasserin ergeben habe. Die grundsätzlich einmal vorhandene Kenntnis der Klägerin von der Abtretung wirke fort und habe damit auch noch und bereits im Jahr 2014 bestanden.
Selbst wenn man eine positive Kenntnis der Klägerin nicht annehmen wollte, wäre der Klägerin jedenfalls grobe Fahrlässigkeit hinsichtlich ihrer Unkenntnis vorzuwerfen. Grob fahrlässig handele der Gläubiger, wenn seine Unkenntnis darauf beruhe, dass er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletze und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet habe, was jedem hätte einleuchten müssen. Grundsätzlich habe die Klägerin als Bank den bei ihr unstreitig eingetragenen Verpfändungs- bzw. Sperrvermerk zu beachten, bzw. vor der Auszahlung zu prüfen, ob ein solcher Vermerk eingetragen sei. Die Klägerin habe offenbar entweder gar nicht geprüft, ob ein solcher Sperrvermerk vorliege oder ihn aber jedenfalls übersehen. Angesichts dessen, dass es sich hierbei um eine ureigenste Aufgabe der Klägerin handele, wiege ein solcher Fehler besonders schwer und stelle eine ungewöhnlich grobe Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt dar. Das gelte umso mehr, wenn, wie hier, gleichzeitig mit dem Auszahlungsverlangen der Verlust des Sparbuchs gemeldet werde, und dies nicht durch die ursprüngliche Sparbuchinhaberin selbst, sondern durch eine Erbengemeinschaft, die im Zweifel über Jahre zurückliegende Vorgänge nicht unbedingt Kenntnis haben könne oder müsse. Gerade in einem solchen Fall sei die Klägerin als Bank gehalten, besonders genau hinzusehen und die bei ihr vorhandene Dokumentation genau zu überprüfen. Vor diesem Hintergrund führe auch die Tatsache, dass die Erbengemeinschaft durch ihre Bevollmächtigte erklärt hatte, dass das Guthaben nicht abgetreten sei, nicht dazu, dass die Sorgfaltspflichtverletzung der Klägerin nicht als besonders grob einzustufen sei. Die Klägerin sei vor diesem Hintergrund umso mehr gehalten gewesen, eine genaue Prüfung vorzunehmen.
Die in den vier Parallelverfahren von den angerufenen Gerichten teilweise angeführte Argumentation, dass die Klägerin mit einer Verpfändung des Sparguthabens der Erblasserin nicht habe rechnen müssen, da diese sehr vermögend gewesen sei, überzeuge nicht. Gerade wenn jemand vermögend sei, bestehe für ihn doch die Möglichkeit, Schulden Dritter durch Verpfändung seines Vermögens abzusichern. Eine nicht vermögende Person habe nichts, was sie zur Sicherheit abtreten könnte.
Die Überweisung des Erbanteils der Beklagten in Höhe von € 54.000,00 am 7. Mai 2015 auf ein Konto der Beklagten, stelle demgegenüber keine Leistung der Klägerin an die Beklagte dar. Vielmehr handele es sich hierbei um die Erfüllung des Auseinandersetzungsanspruchs der Beklagten gegenüber der Erbengemeinschaft. Die Klägerin sei hierbei nur Zahlungsdienstleisterin für die Erbengemeinschaft als Kontoinhaberin des ursprünglich der Erblasserin gehörenden Girokontos gewesen. Die auftragsgemäße Durchführung der Überweisung durch die Klägerin stelle sich damit als Leistung gegenüber der Erbengemeinschaft als Gesamthand dar.
Die Klägerin habe gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Zahlung von € 10.000,00 aus Eingriffskondiktion im Sinne des S 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB. Zwar dürfte die Klägerin durch die Überweisung des Guthabens von dem bei ihr geführten Girokonto einen Eingriff in eine von ihr gehaltene Rechtsposition erlitten haben, weil ihr so die Möglichkeit genommen worden sei, den zu Unrecht auf das Girokonto umgebuchten Betrag einfach zurückzubuchen. Wie oben dargestellt, habe dem aber die Leistungsbeziehung der Klägerin zu der Erbengemeinschaft einerseits und der Anspruch der Beklagten gegenüber ihren Miterben auf Auszahlung ihres Erbanteils andererseits zugrunde gelegen. Das Vorliegen von Leistungsbeziehungen sperre hier die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit im Wesentlichen dem folgenden Berufungsvorbringen, das sie entsprechend einer Auflage des Senats in dem Schriftsatz vom 19. Oktober 2020 präzisiert hat:
Die Abtretungserklärung vom 11. November 2008 habe ihr zu keiner Zeit vorgelegen. Die Abtretung sei von der Volksbank X – wie dies üblich sei – nicht an sie herausgegeben worden, sondern im Original bei der Volksbank verblieben. Das Sparkonto Nr. 3025185657 sei aufgrund des von der Erblasserin am 1. Oktober 2008 unterzeichneten Eröffnungsantrages (Anlage BBI, Blatt 274 d. A.) eröffnet worden. Bei einem Vergleich der Unterschriften auf dem Eröffnungsantrag und der Abtretungserklärung bestehe kein Zweifel daran, dass es sich bei der Unterzeichnerin um eine Person, die Erblasserin, gehandelt habe.
Das Landgericht gehe unzutreffend davon aus, dass die Verjährungsfrist bereits im Jahre 2014 begonnen und mit Ablauf des Jahres 2017 geendet habe, so dass der am 28. Dezember 2018 der Beklagten zugestellte Mahnbescheid die Verjährung nicht mehr habe hemmen können.
Unzutreffend sei bereits der vom Landgericht zugrunde gelegte Ausgangspunkt, der Bereicherungsanspruch der Klägerin sei bereits mit der Erfüllung der vermeintlichen Rückzahlungsverpflichtung hinsichtlich des Sparguthabens gegenüber der Erbengemeinschaft am 19. Dezember 2014 entstanden. Mit Auflösung des Sparkontos und Übertragung des Betrages vom Sparkonto auf das Nachlassgirokonto am 19. Dezember 2014 habe die Beklagte nicht „etwas“ erlangt im Sinne von S 812 Abs. 1 Satz 1 BGB. Über das Guthaben auf dem Nachlassgirokonto habe allein die Erbengemeinschaft frei verfügen können, nicht dagegen die Beklagte. Nach Übertragung des Betrages auf das Nachlassgirokonto habe kein Bereicherungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte bestanden. Bis zur Auflösung des Nachlassgirokontos im Jahre 2015 habe ein solcher
Anspruch der Klägerin allein gegen die Erbengemeinschaft bestanden. Erst mit Überweisung des Betrages vom Nachlassgirokonto an die Beklagte im Jahre 2015 habe die Beklagte „etwas“ erlangt im Sinne von S 812 Abs. 1 Satz 1 BGB. Da der Bereicherungsanspruch erst im Jahre 2015 entstanden sei, habe der Beklagten am 28. Dezember 2018 zugestellte Mahnbescheid die Verjährung gehemmt.
Selbst wenn von einer Anspruchsentstehung bereits im Jahre 2014 auszugehen wäre, wäre Verjährung nicht eingetreten, da die Voraussetzungen des S 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB im Jahre 2014 nicht vorgelegen hätten. Zu Unrecht gehe das Landgericht davon aus, dass die Klägerin bereits zum Zeitpunkt der Anspruchsentstehung im Dezember 2014 Kenntnis im Sinne des S 199 Abs. I Nr. 2 BGB gehabt habe, dass der Erbengemeinschaft der Anspruch auf Auskehrung des Sparguthabens nicht zustehe.
Entgegen der von dem Landgericht unter Hinweis auf die Fortwirkung des Sperrvermerks vertretenen Auffassung habe die Klägerin die für S 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis erst durch die Anzeige der Volksbank X im Jahre 2018 erhalten, dass der Sicherungsfall eingetreten sei.
Die hilfsweise angestellte Überlegung des Landgerichts, dass – selbst wenn positive Kenntnis der Klägerin nicht vorliegen sollte – der Klägerin jedenfalls grobe Fahrlässigkeit hinsichtlich ihrer Unkenntnis vorzuwerfen wäre, sei ebenfalls unzutreffend. Unzutreffend gehe das Gericht davon aus, dass die zugrunde liegenden Umstände eine grobe Fahrlässigkeit der Klägerin bzw. des zuständigen Mitarbeiters der Klägerin, der die Auszahlung veranlasst hat, begründeten. Das Landgericht verkenne die an eine grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von S 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu stellenden Anforderungen.
Die Volksbank X habe sie mit dem Schreiben vom 10. November 2008 (Anlage BB2, Blatt 275 d. A.) gebeten, die diesem beiliegende Drittschuldnerbestätigung abzugeben. Die damals zuständigen Kundenberater/Sachbearbeiter hätten die Drittschuldnerbestätigung unter dem 13. November 2008 ergänzt und der Volksbank zugeleitet. Ferner hätten sie am 14. November 2008 den Vordruck „Vereinbarung von Sperren SPAR“ (Anlage BB3, Blatt 276 d. A.) ausgefüllt, wonach das Sparkonto mit einem Sperrvermerk (Sparguthaben abgetreten/verpfändet/gepfändet) zu versehen sei und handschriftlich auf dem Formular den Verweis auf die „Abtretung an die Voba Oberberg eG v. 11.10.08″ ergänzt. Dieser Sperrvermerk sei entsprechend der bei der Klägerin angewiesenen organisatorischen Regelung auf der Grundlage des Vordrucks in die EDV zu dem betreffenden Sparkonto eingestellt worden.
Mit der Abwicklung des Nachlassfalls seien bei der Klägerin in den Jahren 2013 – 2015 der Zeuge X als Vermögensberater und die Zeugin X als Assistenz befasst gewesen. Wie der Zeuge X am 8. Oktober 2020 noch einmal bestätigt habe, habe er die Sperre zwar gesehen, aber im Rahmen der Nachlassabwicklung einer vermögenden Kundin nach Prüfung, ob im Hause Soll-Salden bestehen (eine Drittbesicherung habe er nicht in Betracht gezogen, da sie bei ihm als Vermögensberater noch nie vorgekommen sei), nicht als solche realisiert und übergangen. Der Zeuge habe die Erblasserin seit November 2011 beraten. Bei der Übergabe der Kundin von dem früheren altersbedingt ausgeschiedenen Berater an den Zeugen habe Herr X die Existenz der Abtretung an die Volksbank nicht erwähnt. Auch die Erblasserin, mit der der Zeuge regelmäßig in längeren Gesprächen Kontakt gehabt habe, habe die Abtretung nicht thematisiert.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 10.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte tritt den Berufungsangriffen entgegen:
Die Klägerin habe lediglich gegenüber der Erbengemeinschaft geleistet, nur diese habe etwas von der Klägerin erlangt und habe nur dieser gegenüber habe die Klägerin unter Umständen einen Bereicherungsanspruch. Sie habe auf den auf das Nachlassgirokonto gezahlten Betrag nicht zugreifen können. Die Bevollmächtigte der Erbengemeinschaft habe von dem Guthaben auf dem Girokonto Teilbeträge an die Miterben ausgezahlt, Bewirtschaftungskosten des Hauses der Verstorbenen beglichen usw. bis zu der Erbauseinandersetzung in 2015. Sie führt in ihrem Schriftsatz vom 20. Oktober 2020 (Blatt 278 ff d. A.) weiter zu ihren im Rahmen des Entreicherungseinwandes nach S 818 Abs. 3 BGB vorgetragenen Amerikareisen in den Jahren 2016 – 2018 aus. Die ohne Zuwendung des Betrages von dem Sparbuch von ihr nicht durchgeführten Reisen hätten insgesamt € 10.832,00 gekostet.
Wegen des weiteren Parteivorbringens im Berufungsrechtszug wird auf die Schriftsätze der Parteien und das Protokoll der Verhandlung vor dem Senat vom 29. Oktober 2020 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die nach den SS 511, 517, 519 f. ZPO zulässige Berufung der Klägerin gegen das am 27. Mai
2020 verkündete Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe ist nicht begründet.
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte – vorbehaltlich der Unterzeichnung der Sicherungs- und Abtretungserklärung durch die Erblasserin – im Hinblick auf die Überweisung von € 50.000,00 vom 19. Dezember 2014 von dem Sparkonto der Erblasserin auf das für den Nachlass geführte Girokonto ein Anspruch auf Zahlung von € 10.000,00 aus Leistungskondiktion nach den S 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 1, S 818 Abs. 2 BGB in Verbindung mit den SS 1967, 2058, S 2060 Nr. 2 BGB zu, der nicht nach S 814 BGB ausgeschlossen ist (1). Gegenüber diesem Anspruch greift jedoch nach S 214 Abs. 1 BGB die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung durch, so dass auch offenbleiben kann, ob die Voraussetzungen einer Entreicherung der Beklagten nach S 818 Abs. 3 BGB vorliegen (2).
1) Nach der hier allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage S 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 BGB ist zur Herausgabe verpflichtet, wer durch die Leistung eines anderen etwas ohne rechtlichen Grund erlangt.
a) Die Klägerin hat am 19. Dezember 2014 € 50.000,00 an die Erbengemeinschaft geleistet, deren Mitglied die Beklagte war. Als Leistung der Klägerin, eine bewussten und zweckgerichteten Mehrung fremden Vermögens (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 2019 – VIII ZR 88/18, Rn. 14), kommt hier nur die Zahlung des (vermeintlichen) Sparguthabens durch die Klägerin von dem Sparkonto auf das Nachlassgirokonto vom 19. Dezember 2014 in Betracht. Bei der für die Bestimmung des Leistenden gebotenen objektiven Betrachtungsweise aus der Sicht des Zuwendungsempfängers (vgl. BGH, aaO, Rn. 15) erfüllte die Klägerin mit der Zahlung des (vermeintlichen) Sparguthabens den „sparvertraglichen“ Anspruch (vgl. zur Anspruchsgrundlage: BGH, Urteil vom 14. Mai 2019 – XI ZR 345/18, Rn. 29 f.) der Erbengemeinschaft auf Zahlung von € 50.000,00 aus S 700 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit S 488 Abs. 1 Satz 2 BGB. Mit der Überweisung des Kontoguthabens auf das Girokonto der Erblasserin und der dortigen Gutschrift – damit der Begründung eines Anspruchs aus der Gutschrift auf Auszahlung des Betrages nach den SS 780, 781 BGB – hat die Klägerin am 19. Dezember 2014 eine Leistung an die Erbengemeinschaft erbracht. Entgegen der von der Berufung vertretenen Auffassung stellte die mit der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft durch Aufteilung und Auszahlung des Guthabens verbundene Auszahlung an die Beklagte vom 7. Mai 2015 – wie die angefochtene Entscheidung zutreffend ausführt – aus der insoweit maßgeblichen Zweckbestimmung der Leistung, aber auch aus der verobjektivierten Empfängersicht (vgl. hierzu: BGH, Urteil vom 6. November 2008 – III ZR 120/08) eine Leistung der Erbengemeinschaft an ihre Mitglieder und nicht eine Leistung der Klägerin, die lediglich Leistungsmittlerin war, an die Beklagte dar. Mit dem Eingang des von der Klägerin überwiesenen Betrages auf dem Nachlassgirokonto hatte die Erbengemeinschaft den Anspruch aus der Gutschrift auf Auszahlung der € 50.000,00 erlangt. In diesem Zeitpunkt war bei Fehlen des Rechtsgrundes der Bereicherungsanspruch der Klägerin aus Leistungskondiktion gegen die Erbengemeinschaft entstanden, für den die Miterben nach den SS 1967, 2058 BGB gesamtschuldnerisch hafteten (vgl. hierzu allg. Küpper in: Münchener Kommentar zum BGB,
8. Aufl. 2020, S 1967, Rn. 14). Nach der Teilung des Nachlasses im Mai 2015 haftet jeder der fünf Miterben nach S 2060 Nr. 2 BGB nur für den seinem Erbteil entsprechenden Teil der Nachlassverbindlichkeit, mithin auf jeweils € 10.000,00. Eine Bereicherung der Beklagten in sonstiger Weise auf Kosten der Klägerin nach S 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 BGB durch die Zahlung vom 7. Mai 2015 kommt bereits angesichts der insoweit vorrangigen Leistungsbeziehung im Verhältnis zwischen der Erbengemeinschaft und der Beklagten nicht in Betracht.
b) Die Erbengemeinschaft, deren Mitglied die Beklagte war, hatte die Auszahlung des Sparguthabens und die Gutschrift auf dem Nachlassgirokonto der Erbengemeinschaft, die zur Begründung eines Anspruchs der Erbengemeinschaft gegen die Klägerin aus der Gutschrift auf Auszahlung führte, von der Klägerin ohne rechtlichen Grund erlangt. Denn der im Oktober 2008 mit der Einrichtung des Sparkontos mit dem Guthaben von € 50.000,00 begründete Auszahlungsanspruch der Erblasserin nach S 700 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit S 488 Abs. 1 Satz 2 BGB ging aufgrund der Abtretungserklärung der Erblasserin vom 10. November 2008 nach S 398 BGB auf die Volksbank X über. Das Bestreiten der Unterzeichnung der Sicherungs- und Abtretungsvereinbarung durch die Erblasserin von Seiten der Beklagten ist nach S 138 Abs. 4 ZPO unbeachtlich. Allerdings ist nach dieser Vorschrift eine Erklärung mit Nichtwissen über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Dies war bei der Unterzeichnung der Sicherungs- und Abtretungsvereinbarung im November 2008 für die Beklagte zwar der Fall. Die Beklagte hat sich aber nach den Umständen des Falles angesichts der ihr nach S 138 Abs. 2 ZPO obliegenden Erklärungslast nach Möglichkeit aus anderen Erkenntnisquellen zu unterrichten, was unterblieben ist. Die Beklagte hatte insbesondere Erkundigungen bei den Miterben und der von der Miterbengemeinschaft bevollmächtigten Schwester der Erblasserin einzuholen zu der Frage der Unterzeichnung der Vereinbarung durch die Erblasserin und zu im Nachlass oder bei den Angehörigen vorliegenden zur Unterschriftsvergleichung geeigneten Unterschriften der Erblasserin. Dies gilt umso mehr, als die weiteren vier Miterben nach dem Inhalt der von der Klägerin gegen diese erstrittenen Entscheidungen Landgericht Frankfurt/Main, Urteil vom 9. September 2019 – 2-02 0 54/19 (Blatt 75 ff. d. A.), Landgericht Hamburg, Urteil vom 7. Januar 2020 – 330 0 49/19 (Blatt 96 ff. d. A.), Landgericht Stuttgart, Urteil vom 11. September 2019 – 16 0 57/19 (Blatt 68 ff. d. A.) und Landgericht Passau, Urteil vom 15. November 2019 – 1 0 128/19 (Blatt 83 ff. d. A.) die Unterzeichnung der Vereinbarung zwischen der Erblasserin und der Volksbank X im November 2008 nicht bestritten haben. Auch die hiesige Beklagte hat dies in der Antragserwiderung vom 23. April 2019 nicht getan, sondern die Unterschriftsleistung durch die Erblasserin nach einem Wechsel der Prozessbevollmächtigten erstmalig in dem Schriftsatz vom 30. Januar 2020 (S. 8, Blatt 110 d. A.) bestritten.
Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung ist die Abtretungserklärung auch nicht im Hinblick auf die weite Zweckerklärung in der Sicherungsvereinbarung vom 9. November 2008 unwirksam. Zwar dürfte im Fall einer Drittsicherung (bei dem Auseinanderfallen von Sicherheitsgeber und Kreditschuldner), die hier vorgelegen hat, eine wie hier im Rahmen einer allgemeinen Geschäftsbedingung von der Sicherungsnehmerin bestimmte weite Zweckerklärung überraschend im Sinne des S 305c BGB sein (S 307 BGB unterfällt diese Konstellation nicht), weil der Sicherungsgeber nicht damit zu rechnen braucht, dass ohne besondere und mit ihm ausgehandelte Vereinbarung die von ihm gewährte Sicherheit für weitere Forderungen, insbesondere auch künftige aus der Geschäftsverbindung von Bank und Kreditnehmer resultierende Forderungen haften soll. Dies führt jedoch nach den SS 306, 139 BGB in Verbindung mit der salvatorischen Klausel in Ziffer 3.6 der Vereinbarung nicht zur Unwirksamkeit der Abtretung.
Ein sparvertraglicher Anspruch der Erblasserin und ihr nachfolgend eine Nachlassforderung der Erbengemeinschaft nach Maßgabe von S 2039 BGB gegen die Klägerin auf Auszahlung von € 50.000,00, auf den hin die Klägerin die Überweisung am 19. Dezember 2014 hin vorgenommen hatte, bestand damit nicht.
2) Der Anspruch der Klägerin ist nicht nach S 814 BGB ausgeschlossen, wonach das zur Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden kann, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Dies setzt die positive Kenntnis nicht nur der zur fehlenden Leistungspflicht führenden Tatumstände, sondern die Kenntnis voraus, dass der Schuldner nach der Rechtslage nicht schuldet, wobei es bei der Leistung durch einen Vertreter auf dessen Kenntnis ankommt (vgl. BGH, Urteil vom 5. März 2015 – IX ZR 133/14, Rn. 44 mwN). Die entsprechende Kenntnis hat der Bereicherungsschuldner darzulegen und zu beweisen (vgl. BGH, aaO, Rn. 45; Schwab in: Münchener Kommentar, 8. Aufl. 2020, S 814, Rn. 23 mwN). Insoweit kommt es nach S 166 Abs. 1 BGB analog auf die Kenntnis des bei der Klägerin mit der Kontoauflösung/Überweisung vom 19. Dezember 2014 befassten Mitarbeiters der Klägerin an, der sich nach dem Vortrag der Klägerin gerade im Irrtum über das Bestehen der Abtretung des Sparguthabens befand, dieses nicht in Kenntnis der Abtretung des Sparguthabens an die Volksbank X ausgezahlt hat.
3) Es kann offen bleiben, ob sich die Beklagte nach S 818 Abs. 3 BGB mit Erfolg auf die von ihr geltend gemachte Entreicherung berufen kann, da gegenüber dem Bereicherungsanspruch der Klägerin jedenfalls nach S 214 Abs. 1 BGB die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung durchgreift.
Die nach S 195 BGB maßgebliche dreijährige Regelverjährungsfrist für den Anspruch aus Leistungskondiktion nach S 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 BGB beginnt nach S 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in welchem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
Entstanden ist der Bereicherungsanspruch der Klägerin aus den SS 812, 1967, 2058 BGB nach den obigen Ausführungen (vgl. 1 a) mit der Überweisung der Klägerin auf das Nachlassgirokonto am 19. Dezember 2014.
Auch die subjektiven Voraussetzungen für den Beginn der Verjährung nach S 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB lagen damals vor, wobei hier zwar nicht von einer Kenntnis des Anspruchs, aber von einer grob fahrlässigen Unkenntnis vom Bestehen des bereicherungsrechtlichen Anspruchs auszugehen ist. Für die Prüfung der subjektiven Voraussetzungen des Beginns der Verjährung kommt es bei arbeitsteilig organisierten Organisationen wie der Klägerin im Ausgangspunkt auf die Kenntnis des mit der Bearbeitung des Sachverhalts im Unternehmen betrauten Mitarbeiters, mithin hier des Mitarbeiters X an. Hiernach ist es nicht maßgeblich, dass im Hause der Klägerin zwar die Umstände für die Rechtsgrundlosigkeit der Leistung in Höhe von € 50.000,00 an die Erbengemeinschaft wegen der vorhandenen Abtretung des Sparguthabens auf dem Konto in dieser Höhe an die Volksbank X bereits damals (abstrakt) bekannt waren, da ein entsprechender „Sperrvermerk“ zum Sparbuch in der EDV und auch im „Archiv“ vorlag. Abzustellen ist vielmehr auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von dem Bestehen des Bereicherungsanspruchs gegen die Erbengemeinschaft bei dem Mitarbeiter der Klägerin.
a) Eine Kenntnis des Mitarbeiters X der Klägerin im Sinne des S 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB lag im Jahr 2014 nicht vor. Der Gläubiger eines Bereicherungsanspruchs hat Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen, wenn er von der Leistung und den Tatsachen weiß, aus denen sich das Fehlen des Rechtsgrundes ergibt. Der Verjährungsbeginn setzt grundsätzlich nur die Kenntnis der den Anspruch begründenden Tatsachen voraus. Nicht erforderlich ist in der Regel, dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2015 – XI ZR 182/13, Rn. 19 ff.; BGH, Urteil vom 15. Juni 2010 -XI ZR 309/09, Rn. 12 f.).
b) Bei Vornahme der Überweisung des Betrages von € 50.000,00 auf das Nachlassgirokonto der Erbengemeinschaft lag bei dem Mitarbeiter X der Klägerin grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne des S 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vor.
Diese ist anzunehmen, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt worden ist und der Gläubiger auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Eine unterlassene Aufklärung von anspruchsbegründenden Umständen kann nur dann als grob fahrlässig zu qualifizieren sein, wenn der Gläubiger auf der Hand liegende Erkenntnismöglichkeiten, die weder besondere Kosten noch nennenswerte Mühe verursachen, nicht ausnutzt. Das Interesse eines Gläubigers ist bei der Beurteilung dessen, was als unverständlich und damit als grob fahrlässig im Sinne des S 199 Abs 1 Nr. 2 BGB anzusehen ist, als Maßstab heranzuziehen. Denn bei dem Merkmal der groben Fahrlässigkeit gemäß S 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB handelt es sich um eine schwere Form des „Verschuldens gegen sich selbst“. Dem Gläubiger muss deshalb ein schwerer Obliegenheitsverstoß in eigenen Angelegenheiten der Anspruchsverfolgung vorgeworfen werden können (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2015 – XI ZR 303/12, Rn. 29, 32, 36 mwN).
Das ist hier der Fall. Die Überweisung des (vermeintlichen) Sparguthabens der Erblasserin in Höhe von € 50.000,00 auf das Girokonto der Erbengemeinschaft durch den Mitarbeiter war in diesem Sinne grob fahrlässig. Nach dem auf die Auflage des Senats vom 2. Oktober 2020 hin konkretisierten Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 19. Oktober 2020 hat ihr Mitarbeiter X den in der EDV zu dem Sparkonto der Erblasserin vorhandenen Sperrvermerk „Sparguthaben abgetreten/verpfändet/gepfändet“ zwar gesehen, aber „im Rahmen der Nachlassabwicklung einer vermögenden Kundin nach Prüfung, ob im Hause Soll-Salden bestehen (eine Drittbesicherung wurde nicht in Betracht gezogen, da sie bei ihm als Vermögensberater noch nie vorgekommen war), nicht als solche realisiert und übergangen“.
Bei der hier nach der (bekannten) Dienstanweisung aus der EDV ersichtlichen und von dem zuständigen Mitarbeiter auch wahrgenommenen aber nach dem festgestellten Fehlen von Verbindlichkeiten bei der Klägerin arbeitsvertragswidrig ignorierten Sperre für ein Sparkonto (abgetreten/verpfändet/gepfändet) gleichwohl veranlassten Kontoauflösung und Auszahlung des Guthabens ist die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt worden und auch ganz naheliegende Überlegungen sind nicht angestellt oder das ist nicht beachtet worden, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Denn hier wurde bei einem bekanntermaßen nicht in den Händen der Erben der Sparerin befindlichen Sparbuch, was bereits ungewöhnlich ist und für eine Abtretung oder Verpfändung des Guthabens spricht, der nach der Dienstanweisung der Klägerin eingetragene und von den Mitarbeitern der Klägerin zu beachtende Sperrvermerk, dessen einzige Funktion die Vermeidung von unternehmensschädigenden Auszahlungen ohne Rechtsgrund ist, in nicht nachvollziehbarer Weise missachtet. Die Erklärung der Bevollmächtigten der Erben in der Verlustmeldung vom 3. Dezember 2014 (Anlage K2), wonach „das Sparkassenbuch bzw. das Sparguthaben weder veräußert, verpfändet, abgetreten noch übereignet ist“ relativiert angesichts der bekanntermaßen oft fehlenden Kenntnisse von Erben zu Handlungen der Erblasserin den EDV-Vermerk „Sparguthaben abgetreten/verpfändet/gepfändet“ nicht. Eine hiernach dringend gebotene Recherche des Mitarbeiters X im Archiv nach dem Sperrformular BB3 (Blatt 276 d. A.) hätte diesem die Kenntnis von dem handschriftlichen Vermerk „S. Abtretung an Voba10.11.08″ vermittelt.
Der Mitarbeiter X durfte von einem Eintragungsfehler in der EDV nicht ausgehen. Denn er war erst seit November 2011 in Nachfolge für den Mitarbeiter X der im Juni 2013 verstorbenen Erblasserin und konnte deshalb nur einen Zeitraum von 20 Monaten aus eigener Wahrnehmung überblicken. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass der in den Ruhestand gegangene Mitarbeiter X den Mitarbeiter X bei der Übertragung der Betreuung der Erblasserin nicht auf die Abtretung hingewiesen hatte. Denn angesichts der bei der Klägerin nach ihrer Dienstanweisung vorhandenen und von den Kundenberatern zu nutzenden EDV- und Archivdokumentation durfte der Mitarbeiter X nlicht darauf vertrauen, dass ihn der ausscheidende Kollege über sämtliche Einzelheiten der Kundenbeziehung, insbesondere auch nicht zum aktuellen Tagesgeschäft gehörende zeitlich zurückliegende Sachverhalte aufklärt. Auch durfte ihn der Umstand, dass die Erblasserin gut situiert war und keine Verbindlichkeiten gegenüber der Klägerin hatte, nicht zu der Annahme einer Fehleintragung in der EDV veranlassen. Denn gerade bei einem im Nachlass nicht vorhandenen Sparbuch muss bei der das Sparkonto führenden Bank/Sparkasse angesichts der Regelungen in den SS 952, 808 BGB immer damit gerechnet werden, dass hier im Rahmen einer Fremdsicherung durch Abtretung oder Verpfändung das Sparbuch dem Gläubiger ausgehändigt worden ist.
Das Verhalten des Mitarbeiters X kann nicht unter Hinweis auf den im Straßenverkehrsrecht und Recht der Kraftfahrzeugversicherung herangezogenen Gesichtspunkt eines den Grad der Fahrlässigkeit relativierenden Augenblicksversagens, einer momentanen Unaufmerksamkeit bzw. Konzentrationsschwäche bei einer eine dauerhafte Konzentration erfordernden Tätigkeit dem Verdikt der groben Fahrlässigkeit entzogen werden. Dies ist lediglich möglich, wenn zu einem Augenblicksversagen weitere subjektive Umstände hinzukommen, die es im konkreten Einzelfall gerechtfertigt erscheinen lassen, unter Abwägung aller Umstände den Schuldvorwurf geringer als grob fahrlässig zu bewerten (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 8. Juli 1992 – IV ZR 223/91; BGH, Urteil vom 29. Januar 2003 – IV ZR 173/01; BGH, Urteil vom 10. Mai 2011 – VI ZR 196/10, Rn. 12 ff.). Diese Voraussetzungen sind von der insoweit darlegungsbelasteten Klägerin nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich, wie den vorstehenden Ausführungen entnommen werden kann.
Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren folgt aus S 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den SS 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des S 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.